Samstag, 25. Juli 2020

Buchrezension "Acht Berge" von Paolo Cognetti




Italien, 1984: Der 11 jährige Pietro und seine Eltern fliehen über die Sommermonate vor der Tristesse der grauen, hektischen Großstadt Mailand in ein kleines Bergdorf namens Grana am Fuße des Monte-Rosa-Massivs. Für die Eltern ist es eine Rückkehr zu alten Erinnerungen an die Liebe zur Natur und ihre Ehe. Während Pietro Vater ruhiger und entspannter wird und der ganze Stress von ihm abzufallen scheint, blüht seine Mutter auf und beginnt Bekanntschaften im Dorf zu knüpfen.

Pietro findet in dem gleichaltrigen Bruno zum ersten Mal einen richtigen Freund erkundet mit ihm die Welt um sich herum, während sein Vater jeden Morgen in der Früh in die Berge zum Wandern aufbricht. Ein Ritual, dem sich Pietro und später auch Bruno anschließen und das die Drei über Jahre hinweg begleitet und verbindet, auch als sich ihre Wege trennen und Pietro in die Welt hinauszieht, während Bruno in Grana bleibt. 

Als Pietro als Erwachsener nach dem Tod seines Vaters wieder nach Grana zurückkehrt, erfährt er, dass Bruno und sein Vater immer noch dem alten Wanderritual gefolgt sind und nie den Kontakt verloren haben. 

Pietro erkennt, dass sich in dem Dorf seiner Kindheit wenig verändert hat und dass auch die Freundschaft mit Bruno nie wirklich erloschen ist.


„Acht Berge“ ist ein autobiographisch inspirierter Roman über Freundschaft und das Leben. Paolo Cognetti hat mit seinem dritten Werk einen bewegenden Roman über das Erwachsenwerden, die Bedeutung von Freundschaft und das Finden des eigenen Glücks geschaffen. Die detaillierten Beschreibungen der Natur und der Berge und was sie in den Menschen auslösen, geben dem ganzen Roman eine entspannte, ruhige Atmosphäre, die den Leser in den Bann zieht. 

Ein berührendes Werk, das den Wert von Freundschaft und der Suche nach Heimat und Glück mit der Faszination, die die Berge umgibt, verbindet. Während des Lesens fühlt man mit den Charakteren, spürt ihre Ängste und Verzweiflungen, ihre Hoffnungen und folgt ihnen, wie sie ein Zuhause in den Bergen und Ruhe in der Natur finden. 


Cognettis Schreibstil mag am Anfang etwas ungewohnt erscheinen, hat allerdings in Verbindung mit den detaillierten Beschreibungen und Einsichten eine unglaublich beruhigende Wirkung, die den Leser in die Natur und die Berge zu versetzen scheinen. Eines der schönsten und zugleich traurigsten Bücher, das ich je gelesen habe, obgleich es sehr schwer in Worte zu fassen ist, was dieser Roman empfindet lässt.

Dienstag, 14. Juli 2020

Buchrezension "Leichenfänger" von Marco Hasenkopf




Die BKA-Ermittlerin Rosa Bach ist nach dem gewaltsamen Mord an einer Kollegin traumatisiert und wird von ihrem Chef dazu verdonnert an einem Stessbewältigungsseminar auf hoher See teilzunehmen, um die Geschehnisse zu verarbeiten und ihre posttraumatische Belastungsstörung in den Griff zu bekommen. Die zynische Beamtin ist davon natürlich gar nicht begeistert, aber ihr Chef lässt keine Widerrede zu. Auf dem Frachtschiff, der MS Leviathan, angekommen, warten gleich mehrere böse Überraschungen auf Rosa: der Leiter des Seminars ist ein exzentrischer „Esoterikspinner“, wie Rosa ihn bei ihrer ersten Begegnung gedanklich einschätzt, der viel zu geschickt in ihr Inneres blicken kann - etwas, das der eher verschlossenen Rosa natürlich gar nicht behagt. Als plötzlich Crewmitglieder und Seminarteilnehmer verschwinden, halten die anderen es für Zufälle, Rosas Argwohn ist allerdings geweckt und sie beginnt zu ermitteln. Bald ist klar, dass sich unter ihnen ein Mörder befinden muss, der mit ihnen ein perfides Katz und Maus Spiel spielt und das auf hoher See, abgeschnitten von der Außenwelt, während ein Sturm auf sie zukommt…


Der Thriller beginnt mit einem sehr spannenden Einstieg: ein Rückblick zu den Ereignissen, die Rosa Bach so sehr traumatisiert haben, dass sie nicht mehr in der Lage ist, ihren Beruf auszuüben. Der Mord an ihrer Kollegin während einem Fall, für den Rosa die Verantwortung hatte und dass der Täter auf unerlässliche Weise verschwunden ist und noch immer auf freiem Fuß ist, haben eine starke PTBS bei Rosa ausgelöst, die der Autor immer wieder sehr gut darstellt und die Rosas Leben und Handeln negativ beeinflussen. Die Praktiken des Seminars wirken auf den ersten Blick seltsam und esoterisch, dennoch bieten sie einen interessanten Einblick in die Arbeitsweise und Methoden, mit denen in solchen Anti-Stress-Seminaren gearbeitet wird. Auch wenn die Teilnehmer und der Leiter eine sehr gestörte Gruppendynamik haben und hauptsächlich aus Menschen mit sehr… exzentrischen Charaktermerkmalen zusammengewürfelt wurden. Einsichten in die verschiedenen Gedankengänge der Personen erhält man durch kurze Sichtwechsel, die die Personen so zeigen wie sie tatsächlich sind und nicht so wie Rosa sie einschätzt oder sie sich im Seminar zeigen. Allerdings ist es manchmal ein wenig verwirrend, da die Sichtwechsel nicht mit Namen gekennzeichnet werden, sodass es immer ein wenig abrupt erscheint und man rätseln muss um wen es sich handeln könnte. Dadurch erhält man allerdings auch Einsicht in die Sichtweise des Mörders, wobei man natürlich nicht erahnen kann, um wen es sich handeln könnte. Einzig Rosas Sicht ist klar gekennzeichnet. 


Besonders gut gefallen hat mir die sehr detaillierte Beschreibung des Frachtschiffes, der Mannschaft und deren Dynamik, sodass man eine Einsicht in die Schifffahrt, das raue Leben auf hoher See und die Befehlsketten erhält. Man merkt, dass sich der Autor sehr akribisch damit beschäftigt hat und sich gut damit auskennt, sodass man auch als Laie das Gefühl bekommt, sich damit ein wenig besser als vorher auszukennen. Teilweise waren die Beschreibungen der Gänge, Räume und Maschinen ein wenig zu detailliert und langatmig, aber es handelt sich eben um eine sehr gründliche Beschreibung der Orte des Geschehens und Rosa ist als BKA-Ermittlerin nun mal eine sehr genaue Beobachterin. 

Das Herannahen des Sturms gibt den ganzen Geschehnissen einen noch bedrohlicheren Charakter, als hätte der Mörder diese Umstände geplant und die ganze Zeit darauf hingearbeitet.


Ich würde definitiv weitere Bände von Rosa Bach lesen und kann dieses Buch nur jedem empfehlen, der auf blutige Spannung, ein wenig Psychohorror und sehr trockenen Humor steht. Ein wenig hat das Buch mich von der Atmosphäre an Sebastian Fitzeks „Passagier 23“ erinnert und mir auf jeden Fall besser gefallen.


"Leichenfänger" ist die digitale Neuausgabe des Buches "Der letzte Sturm". Beide Titel gefallen mir sehr gut, wobei bei dem Titel "Leichenfänger" passender Weise noch etwas Makaberes mitschwingt. Das neue Cover ist ebenfalls sehr gelungen und verspricht Spannung: die Sicht aus der eingeengten Kabine durch das Bullauge auf die stürmische, unbarmherzige See und es gibt kein Entkommen...



Zu Verfügung gestellt wurde mir das ebook von Marco Hasenkopf, Lovelybooks und digital publishers.